Die Deutsche Evangelische Kirchengemeinde Lissabon (DEKL) gehört mit Stockholm, Kopenhagen und London zu den ältesten evangelischen deutschsprachigen Kirchengemeinden im Ausland.
Deutsche Kaufleute, beinahe alle lutherisch, weil sie zumeist aus den Hansestädten im Norden Deutschlands stammten und über den Seeweg nach Portugal gefunden hatten, bemühten sich Mitte des 18. Jahrhunderts um einen Seelsorger. Mit zur Gründung der Gemeinde im Jahr 1761 beigetragen hat wohl das verheerende Erdbeben, das Lissabon sechs Jahre zuvor getroffen hatte. Damals kamen Zehntausende ums Leben. Lissabon war beinahe ganz zerstört. Vor allem viele Katholiken, die am Allerheiligentag 1755 die Messe besuchten, wurden unter den Trümmern ihrer Kirchen verschüttet.
Nachdem sie bei dem Erdbeben die menschliche Ohnmacht erfahren hatten, wollten die Kaufleute den Trost des göttlichen Wortes erfahren. Und so kam es, dass unter dem Schutz der holländischen Gesandtschaft ein erster Prediger angestellt wurde. Johannes Schiving war auch Holländer, der deutschen Sprache jedoch mächtig, weil er in Wilderwank nahe der deutschen Grenze lebte. Er empfand den völlig unerwarteteten Ruf nach Lissabon als eine Berufung Gottes in das neue Amt.
Am 31. Mai 1761 hielt Pfarrer Schiving seine erste Predigt über Apostelgeschichte 16, 9f.
Bevor die Gemeinde 1818 am Largo das Necessidades einen ersten eigenen Kapellenraum beziehen konnte, wurden die Gottesdienste in den jeweiligen Kapellen der holländischen, später der dänischen und schließlich der schwedischen Gesandtschaften (die Vorläufer der heutigen Botschaften) gefeiert.
Fast ein Jahrhundert lang war die alte Kapelle das Zentrum der kleinen Gemeinde. Mit dem Ende des ersten Weltkrieges mußten viele Gemeindemitglieder nach Madrid fliehen, wo Pfarrer Garlipp den Lissabonner Kindern zunächst noch Konfirmanden- und Schulunterricht erteilte. Die Belange der Gemeinde wurden sozusagen im Exil weitergeführt.
Als viele Familien Anfang der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts nach Lissabon zurückkehrten, war ein Neubeginn möglich geworden; allerdings stand die Kapelle nicht mehr zur Verfügung – sie wurde mittlerweile als Bildergalerie genutzt.
Engagierte Kirchenräte wagten den Neuanfang. Von 1923 – 1934 fanden die Gottesdienste in einem Sitzungssaal einer Firma, in einer portugiesischen protestantischen Kirche, im großen Saal des Deutschen Vereins, in der Aula der Deutschen Schule Lissabon sowie in der Friedhofskapelle statt.
Die wechselvolle Geschichte der Gemeinde in Lissabon hat 1934 einen festen Standort gefunden. Der zur damaligen Zeit in Europa weithin bekannte Architekt Otto Bartning entwarf die neue Kirche, den Kirchturm und das angrenzende Pfarrhaus (Kirche und Gemeindehaus). Am 4. November 1934 konnte die neue Kirche eingeweiht werden.
Pfarrer Gennrich, der das historische Geschehen in Deutschland genau beobachtete, ließ damals nach Deutschland melden, dass er an der Einweihung seiner Kirche nicht werde teilnehmen können, wenn der deutsch-christliche Reichsbischof der neu gebildeten Deutschen Evangelischen Kirche im 3. Reich, Ludwig Müller, nach Lissabon komme. Der Leiter des Kirchlichen Außenamtes in Berlin, Bischof Heckel, verhinderte weitere Verwicklungen - und beauftragte kurzerhand Generalsuperintendent Paul Gennrich, der sich anläßlich eines Besuch bei seinem Sohn ohnehin in Lissabon befand, in Vertretung die Kirche einzuweihen.
Und so konnte der Sohn mit seiner Gemeinde den ersten Gottesdienst in der neuen Kirche feiern, die schon einen Glockenturm, aber noch keine Glocke besaß.
Die rief die Gemeinde zum ersten Mal 1961 zum Gottesdienst. Es war die erste Glocke einer evangelischen Gemeinde auf der katholisch geprägten iberischen Halbinsel überhaupt. Bis dahin war das den Protestanten nicht erlaubt. Das war schon kirchenhistorisch, wenn man bedenkt, dass unsere Gemeinde erst 2009 vom portugiesischen Staat offiziell als kirchliche Gemeinschaft anerkannt worden ist.
Sie hat 248 Jahre dafür gebraucht.
Seit 1822 unterhalten wir im Stadtteil Campo de Ourique einen der ältesten Friedhöfe abseits der Kirchen in Lissabon (DEUTSCHER FRIEDHOF), der viel von der wechselhaften Geschichte der Gemeinde zu berichten weiß – und der einen Besuch lohnt.
In 2011 haben wir das 250-jährige Bestehen unserer Gemeinde mit einem vielfältigen Programm feiern dürfen.
Heute ist die DEKL mit ca. 330 eingeschriebenen Gemeindemitgliedern und ca. 150 Gästen aus dem Freundeskreis der Gemeinde Ansprechpartner und Kontaktgemeinde für ca. 2.000 bis 3.000 deutsche Bürger im Großraum Lissabon. Mit Zuversicht und im Vertrauen auf Gottes Segen gestaltet sie ihre Zukunft.
Wer sich detaillierter mit der Geschichte der DEKL befassen möchte, dem seien empfohlen:
• Wilhelm Rothe: „Chronik der Deutsch-evangelischen Gemeinde zu Lissabon“, 1865 – Hg. für die DEKL von Gerhard Schickert und Thomas Denk, 2010
• Paul-Wilhelm Gennrich: „Geschichte der evangelischen Gemeinde deutscher Sprache zu Lissabon“, 1978
• Jürgen Krüger & Christiane Tichy: „Kirchenbau und Politik. Deutsche evangelische Kirchen auf der iberischen Halbinsel 1900 – 1945“, 2003
• Gemeindekirchenrat der DEKL (Hg.): „Die deutsche evangelische Kirchengemeinde Lissabon 1761 – 2011“, 2010
Die genannten Bücher sind erhältlich über unseren DEKL-Shop.